Robert Lessmann
Beim Thema Migration haben die Trump-Dekrete bereits Verzweiflung ausgelöst. Als „scary“ (erschreckend oder beängstigend) beschreibt unsere Kollegin Coletta Youngers, die bis vor Kurzem jahrzehntelang für das Washington Office on Latin America (WOLA) gearbeitet hat, die Atmosphäre seit der Amtseinführung des 47. Präsidenten. In ihrem Stadtviertel wohnen viele Migranten, die sich fragen, was mit den angekündigten Razzien auf sie zukommt.
Beängstigend ist auch die umgehende Begnadigung der Teilnehmer des Sturmes auf das Kapitol, knapp 1.600 Angeklagte beziehungsweise Verurteilte, darunter Führer und Mitglieder der paramilitärischen und rechtsradikalen „Proud Boys“ und „Oath Keepers“, die wegen schwerer bis schwerster Delikte vor Gericht kamen, zum Beispiel Enrique Tarrio, Vorsitzender der „Proud Boys“, der wegen Verschwörung zu 22 Jahren Haft verurteilt worden war. Die nachträgliche Legitimierung eines Putschversuchs durch den Anstifter? Seinerseits scheinbar legitimiert durch das aktuelle Wahlergebnis, was die Sache eher schlimmer macht als besser. Beängstigend auch der sofortige Ausstieg der USA aus dem Pariser Klimaabkommen und der Weltgesundheitsorganisation WHO. Ein klares Bekenntnis gegen den Multilateralismus in einer Zeit multipler Krisen. „America First“, bedeutet das für Lateinamerika die Rückkehr zur Monroe-Doktrin, wonach der Halbkontinent exklusives Einflussgebiet oder Hinterhof der Vereinigten Staaten sind?
Jedenfalls wird Lateinamerika an Aufmerksamkeit gewinnen. Zuletzt spielte der Halbkontinent im Süden eine eher geringe Rolle in der US-Außenpolitik, die dort auf Krisen wie Migration und Drogen bezogen war und sich sonst um andere Regionen kümmerte. Während in der ersten Amtszeit Trumps wichtige Posten, wie der des zuständigen Undersecretary for Western Hemispheric Affairs im State Department, monatelang unbesetzt blieb, legen das schon die Personalentscheidungen nahe. Außenminister wird mit Marco Rubio ein exilkubanischer Hardliner, sein Stellvertreter wird Christopher Landau, der Botschafter in Mexiko war. Schon im Vorfeld wurden Mitarbeiter des State Departments ausgetauscht und durch Getreue ersetzt. Nicht zuletzt wurden eine Reihe von Botschaftsposten in lateinamerikanischen Staaten umbesetzt. Mit Mauricio Claver-Carone wurde ein weiterer Exilkubaner, Hardliner und Sanktionsbefürworter Sonderbeauftragter für Lateinamerika. Schon während seiner ersten Amtszeit war Trump dafür bekannt, unterschiedliche Positionen gegeneinander auszuspielen. Sondergesandter – unter anderem für Venezuela – wurde mit Richard Grenell ein weiterer bekannter Hardliner, vormals Botschafter in Berlin, doch er ist mehr „Freihändler“ als Sanktionsbefürworter. Zentrale Themen dürften neben Migration und Drogen nun auch der Kampf um Rohstoffe und gegen die chinesische Dominanz sein. Hier kommt der omnipräsente Elon Musk ins Spiel, der als Autobauer direkte Interessen am Lithium-Dreieck (Argentinien, Bolivien, Chile) hat. Im WOLA erwartet man insgesamt deutliche Rückschritte bei demokratischen Normen, Räumen für die Zivilgesellschaft, dem Schutz der Minderheitenrechte, der Unabhängigkeit der Justiz, bei Initiativen für Inklusion und Vielfalt, Minderheitenrechten und beim Klimaschutz. Die Nähe zu autoritären Führern, wie Javier Milei (Argentinien), Nayib Bukele (El Salvador) oder der Bolsonaro-Familie könnte anti-demokratische Elemente in der Region beflügeln und demokratische Institutionen, bürgerliche Freiheiten und Sicherheiten sowie den Schutz der Menschenrechte in Frage stellen. Ein Sohn Bolsonaros gilt als Schlüsselfigur für die Vernetzung der lateinamerikanischen mit der internationalen Rechten und Jair Bolsonaro rief seine Anhänger zu Massendemonstrationen gegen die Einschränkungen für Musks Plattform X auf. Zur Amtseinführung konnte er nicht kommen. Wegen laufender Verfahren ist er mit einem Ausreiseverbot aus Brasilien belegt.
Thema Migration
Die Bekämpfung der Migration war und ist ein Trump’sches Kernthema. Er sieht sie gerne als gezielten Versuch (von wem eigentlich?) die Vereinigten Staaten zu schwächen. Migranten bezeichnet er als Terroristen, Vergewaltiger, Gesindel, Verbrecher und drohte mit der größten Abschiebungswelle, die die Welt gesehen hat. Dadurch werden vor allem Mexiko und die mittelamerikanischen Länder unter massiven Druck geraten und die Beziehungen belastet. Unter Androhung von Strafzöllen durchgesetzte Zwangsabschiebungen in Rambo-Manier gaben einen Vorgeschmack.
Auch unter Biden war die Migrationspolitik restriktiv, aber durch bestimmte Schutzmechanismen – Temporary Protection Status etwa für Kinder oder Menschen aus Kuba, Haiti, Nicaragua und Venezuela – abgemildert. Nun sollen flächendeckende Razzien, auch in Spitälern und Kirchen, sowie Massendeportationen durchgeführt werden. Grenzkontrollen sollen weiter militarisiert und Grenzbefestigungen ausgebaut werden. Die mexikanische Präsidentin Claudia Sheinbaum hat angekündigt, ihre Landsleute schützen zu wollen, etwa durch Rechtsbeistand über die Konsulate.
Von den angedrohten Abschiebevorhaben sind potenziell vier Millionen Menschen aus Mexiko betroffen, zwei Millionen aus Mittelamerika, mehr als 800.000 aus Südamerika und 400.000 aus der Karibik. Rhetorischer Theaterdonner und Symbolpolitik also? Jenseits des dafür bewusst in Kauf genommenen menschlichen Leids und persönlicher Katastrophen: Weder für die abschiebenden Behörden noch für die Länder, die sie aufnehmen sollen dürfte das überhaupt auch nur annähernd zu leisten sein. Mehr noch: Nicht nur für Kuba, für eine ganze Reihe krisengeplagter Volkswirtschaften sind Familienüberweisungen der wichtigste oder zumindest ein wichtiger Devisenbringer. In Guatemala, Honduras und El Salvador entsprechen sie jeweils etwa einem Viertel des Bruttoinlandsprodukts.
Thema Drogen
In der puritanistischen Einwanderergesellschaft waren „Drogen“ stets als besonders gravierendes und meist als von Außen in den „gesunden Gesellschaftskörper“ hereingetragenes Problem wahrgenommen worden. Die USA waren es auch, die mit der Haager Konvention von 1912 das erste internationale Drogenabkommen überhaupt forciert hatten. Seitdem Präsident Richard Nixon den Drogen im Jahr 1972 „den Krieg“ erklärte, war es über Parteigrenzen hinweg ein politisches Tabu soft on drugs zu erscheinen. Während der Präsidentschaft von Ronald Reagan kamen in den 1980er Jahren die südamerikanischen Produzentenländer von Kokain in den Focus, das als Hauptproblem angesehen wurde. Going to the source hieß die Devise. Während innenpolitisch in den letzten Jahren stärker differenziert und mehr Gewicht auf gesundheitspolitische Ansätze gelegt wurde, hat sich bei der Externalisierung der Drogenpolitik wenig geändert. Nur Weltpolizist Uncle Sam verfügt seit 1978 über ein Büro für internationale Drogen- und Gesetzesvollzugsangelegenheiten im Außenministerium, dessen Budget stets erheblich über dem des entsprechenden Pendants bei den Vereinten Nationen (UNDCP) liegt; hinzu kommen einschlägige Budgets, etwa im Pentagon.* Doch der jahrzehntelange, teilweise militarisierte Drogenkrieg ist bei hohen sozialen und ökologischen Kosten gescheitert. Die Produktion von Kokain (Bolivien, Kolumbien, Peru) ist auf Rekordniveau. Begleiterscheinung der militarisierten Drogenbekämpfung waren ausufernde Gewalt und Menschenrechtsverletzungen. Doch heute steht nicht mehr das pflanzenbasierte Kokain im Vordergrund, sondern das synthetisch hergestellte Fentanyl, das aus Mexiko kommt. Seit 2008 sind mehr als eine Million Menschen in den USA an Überdosen des starken Opioids Fentanyl gestorben. Nach Jahren stetigen Anstiegs geht ihre Zahl aktuell zurück. Während Trumps erster Amtszeit hatte sie sich vervierfacht. Die Biden-Administration hatte darauf mit einem Bündel von Maßnahmen der harm reduction (Schadensminderung) reagiert, während die Republikaner traditionell eher auf das Strafgesetzbuch setzen. Trump hat angekündigt, mexikanische Drogenorganisationen als Terrorgruppen einzustufen und bedroht die mexikanische Regierung mit Strafzöllen, um sie „zum Handeln zu zwingen“. In republikanischen Kreisen wurden darüber hinaus Militäreinsätze in Mexiko, einschließlich der US Special Forces angedacht. Die mexikanische Regierung dürfte über diesen Unilateralismus alles andere als begeistert sein, selbst wenn es im Endeffekt nicht so weit kommen sollte. Es drohen Gegenzölle und ein Handelskrieg zu beiderseitigem Nachteil. Gefragt wäre vielmehr Kooperation bei der Stärkung des Justizsystems und bei der Korruptionsbekämpfung.
Der Fall Venezuela
Hier darf man eine Rückkehr zur Politik der ersten Amtsperiode Trumps erwarten. Am Tag vor der Amtseinführung des selbsterklärten Wahlsiegers Nicolás Maduro benannte Donald Trump in einem Post dessen Gegenspieler Edmundo Gonzáles Urrutia als Präsident und lobte die Unterstützung für ihn durch die venezolanische Community in den USA. Marco Rubio sagte in seiner Anhörung als designierter Außenminister vor dem Kongress, das Land sei von kriminellen Organisationen und Drogenhändlern kontrolliert und kritisierte die Biden-Regierung für die Lockerung von Sanktionen. Trumps designierter Sicherheitsberater Michael Waltz traf Gonzáles Urrutia (noch in seiner Eigenschaft als Kongressabgeordneter für Florida) bei dessen Besuch in Washington. Dieser wirbt mit dem Argument, dass nach einem Systemwechsel Millionen Flüchtlinge freiwillig nach Venezuela zurückkehren würden. Maduro wiederum dürfte an einer Verlängerung der Öl-Lizenzen interessiert sein und könnte im Gegenzug bei publikumswirksamen Abschiebeflügen kooperieren. Venezuela ist der drittgrößte Öllieferant für die USA (2024) und Trump braucht Öl zur Reduzierung der Energiekosten („drill baby drill“). Hier kommt der „Freihändler“ Richard Grenell ins Spiel, der bereits in der Vergangenheit mit Maduro verhandelt hat.
Der Fall Kolumbien
Kolumbien ist traditionell der wichtigste Verbündete der USA in der Region, die wichtigste Auffang- und Durchgangsstation für Migranten aus Venezuela und priorisiert den Handel mit den USA vor dem mit China – auch unter der Linksregierung von Präsident Gustavo Petro. Die USA haben dort im Rahmen des Drogenkriegs sieben Militärbasen. Zwar ist seit dem Friedensabkommen mit den Fuerzas Armadas Revolucionarias de Colombia (FARC) von 2016 die Gewalt im Land deutlich reduziert. Wichtig wäre heute Unterstützung beim Ausbau rechtsstaatlicher Präsenz in den von den FARC verlassenen Gebieten und die Bekämpfung der Konfliktursachen. Doch weiterhin bekämpfen sich die noch aktive Guerilla ELN (Ejército de la Liberación Nacional), FARC-Dissidenten (zuletzt in der Region Catatumbo, wo es um Transitrouten für Kokain geht), rechtsextreme Paramilitärs untereinander – und mit dem Militär. Alle zusammen werden sie GAI (Grupos Armados Ilegales) genannt und diese Gruppen kontrollieren einen Großteil der Kokainproduktion, die in Hochproduktivitätszonen vor allem im Süden Kolumbiens konzentriert ist und auf historischem Rekordniveau liegt. Hier bieten sich Kooperationsmöglichkeiten. Größer scheint jedoch die Gefahr, dass die Trump-Regierung auf die alten martialischen Strategien setzt und es darüber zu Auffassungsunterschieden mit der Regierung von Gustavo Petro kommt, die man bereits mit der Erpressung von Zwangsabschiebungen brüskiert hat. Schließlich hatte man bis vor zehn Jahren unter US-Regie in großem Stil Kokafelder mit Pflanzengift aus der Luft besprüht.
Der Fall Zentralamerika
Zentralamerika ist neben Mexiko die wichtigste Heimat von Migranten, die in die USA kommen. Die betroffenen Länder dürften mit der angedrohten Abschiebungspraxis unter erheblichen Druck geraten. Hierzu hat man in Washington noch keinerlei spezifische Maßnahmen definiert, doch dürfte eine Abkehr von der langfristig angelegten, proaktiven Politik der Ursachenbekämpfung erfolgen, für die Vizepräsidentin Kamala Harris zuständig war. Gewalt ist die wichtigste Fluchtursache dort. Durch Massenabschiebungen dürften Gewalt und Chaos zunehmen. So werden keine Probleme gelöst, sondern neue geschaffen.
Politisch könnte Präsidentin Xiomara Castro in Honduras wegen ihrer Beziehungen zu Venezuela, Kuba, Nicaragua und China unter Druck geraten. Das Trump-Lager hatte ferner enge Beziehungen zu Leuten unterhalten, die in Guatemala wegen Korruption sanktioniert wurden. Sie könnten Frühlingsluft wittern.
Der Fall Kuba
Unter dem Druck des nunmehrigen Außenministers Marco Rubio hatte Trump in seiner ersten Amtszeit die Tauwetter-Politik unter Präsident Obama aufgehoben, neue Sanktionen verhängt, gemeinsame Arbeitsgruppen – etwa zu Migration, Menschenrechten und Umwelt – aufgelöst und Kuba wieder auf die Liste der Staaten gesetzt, die Terror unterstützen. Einige dieser Maßnahmen wurden von der Biden-Regierung aufgehoben. Die Streichung Kubas von der „Terrorliste“ erfolgte erst nach der Freilassung von 553 Inhaftierten kurz vor Ende seiner Amtszeit und wurde nun von Trump umgehend wieder rückgängig gemacht. Mit dem Exilkubaner Marco Rubio und anderen Hardlinern in Schlüsselpositionen dürfte sich die sowieso schon sehr begrenzte Entspannung der Beziehungen erledigen. Möglicherweise liegt in der Migration ein Anknüpfungspunkt für politischen Pragmatismus, die mit der Zuspitzung der Wirtschaftskrise auf der Insel seit 2022 auf Rekordhöhe liegt.
Thema WHO
Die Weltgesundheitsorganisation WHO mit Sitz in Genf bedauert in einem Statement den Austritt der USA. Mit 8.000 Beschäftigten ist sie die größte UNO-Unterorganisation. Sie wurde am 7. April 1948 zu dem Zweck gegründet, sich für „bestmögliche Gesundheit für alle“ einzusetzen. Zu ihren Erfolgen gehört der Kampf gegen Infektionskrankheiten wie Polio und Pocken. Für viele Länder, gerade im globalen Süden, sind ihre Frühwarnungen, Koordination und Notfallfonds im Ernstfall lebenswichtig. Mit 18 Prozent sind die USA der größte Beitragszahler zum WHO-Budget. Der Austritt muss gegenüber dem UNO-Generalsekretär Guterres noch schriftlich erklärt werden, dann dauert es ein Jahr bis er wirksam wird.
Thema Klima
Die Klimakrise führt immer schneller zu immer mehr Katastrophen. Das zeigen zuletzt auch die verheerenden Brände in Kalifornien, für die Trump nur mangelhaften Katastrophenschutz verantwortlich macht. Allein im bolivianischen Amazonien sind im letzten Jahr 10 Millionen Hektar – eine Fläche größer als Österreich – abgebrannt (2023 waren es „nur“ 6,3 Millionen Hektar), während das Land nun, zur Regenzeit, unter Überschwemmungen leidet. Für Donald Trump ist die Klimakrise aber eine „Erfindung“ und er hat folgerichtig den Austritt aus dem Pariser Klimaschutzabkommen angekündigt, das mit seinem ohnehin inzwischen außer Reichweite geratendem 1,5 Prozent-Ziel am 12. Dezember 2015 beschlossen wurde. Ganz im Sinne der kurz vorher beschlossenen Agenda 2030, den Nachhaltigen Entwicklungszielen der Vereinten Nationen. Eine weitere Abkehr vom Multilateralismus.
Was sonst?
Außenminister Marco Rubio hat alle Hilfsprogramme eingefroren. Es wird geprüft, ob sie in Trumps Konzept passen. Einschlägige Kooperationsprogramme zum Minderheitenschutz, Gender, Anti-Rassismus stehen ebenso zur Disposition wie die Unterstützung der in dieser Richtung aktiven NGOs. So erwartet etwa das WOLA die Rückkehr zur sogenannten Mexiko-City-Politik, die US-Hilfen an Organisationen untersagt, die Abtreibung befürworten, um nur ein Beispiel zu nennen. Der US-kolumbianische Anti-Rassismus-Aktionsplan könnten dem zum Opfer fallen.
Für die nächsten zwei Jahre wird Trump eine republikanische Kongressmehrheit zur Durchsetzung seiner Politik hinter sich haben. Lateinamerika muss steifen Nordwind im Sinne der Unterstützung autoritärer Strömungen, Menschenrechtsprobleme sowie wirtschaftliche und geostrategische Herausforderungen befürchten.
Geopolitik des Zugangs
Nicht erst seit dem Krieg in der Ukraine ist die Geopolitik zurück auf der Agenda. Dabei hat Trump – neben den Drohungen an China – zuletzt Kopfschütteln ausgelöst, indem er ankündigte, Kanada als 51. Bundesstaat integrieren und Grönland kaufen sowie den Panama-Kanal notfalls militärisch besetzen zu wollen: „Make America Great Again“. Der in den USA geborene und emeritierte Politologe der Uni Wien, Mitchell Ash, unterscheidet im Trump-Team Erzkonservative, Milliardäre und Verrückte – und vielfach wurden die geopolitischen Begehrlichkeiten als verrückt abgetan. Ganz so einfach ist es nicht. Trump liebt es Drohkulissen und Druck aufzubauen. Ein weiteres Abschmelzen der Arktis würde neue Routen für die Schifffahrt eröffnen und den Seeweg von Westeuropa nach Asien um zwei Wochen verkürzen. Kontrollieren lassen sie sich von Grönland aus, das zum EU-Mitglied und NATO-Partner Dänemark gehört. Das Trump’sche Getöse mag in einem ersten Schritt Abspaltungstendenzen beflügeln.
Über den Panama-Kanal laufen 5 Prozent des Welthandels. Besonders wichtig ist er für die Verbindung der US-Westküste nach Asien. Die USA sind auch stärkster Nutzer mit 40 Prozent der transportierten Container, vor China (21) und Japan mit 14 Prozent. Überhaupt ist der Kanal als solcher ein Produkt des US-Imperialismus. Nach einer militärischen Intervention wurde Panama im Jahr 1903 von Kolumbien abgespalten und noch im gleichen Jahr wurde der Vertrag zum Bau des Kanals unterzeichnet, der dann 1914 fertig gestellt wurde. Panama war mit der Howards Air Force Base bis 1999 das Hauptquartier des für Südamerika zuständigen Southern Command der US-Streitkräfte. Im gleichen Jahr wurde der Kanal aufgrund der Carter-Torrijos-Verträge von 1977 an Panama übergeben.
Heute werden an beiden Enden des Kanals die Häfen von einer Tochter der CK Hutchinson Holding mit Sitz in Hong Kong bewirtschaftet, was nicht nur Trump beunruhigen dürfte, zumal es im vergangenen Jahr 2024 wegen Wassermangel zu ernsten Behinderungen und Gerangel um die Passagen kam. Gleichzeitig wurde durch den Beschuss der Huthi-Rebellen auch der Verkehr durch den Suez Kanal behindert.
Damit nicht genug wurde im November 2024 durch die peruanische Präsidentin Dina Boluarte, deren linker Vorgänger im Dezember 2022 durch einen kalten Putsch ins Gefängnis befördert worden war, der Hafen Chancay bei Lima eröffnet. Die Eröffnung erfolgte im Beisein des chinesischen Staatspräsidenten Xi Jinping. Die staatliche chinesische Schifffahrtsgesellschaft COSCO hatte 3,4 Milliarden USD investiert. Der Sonderbeauftragte Claver-Carone trat mit dem Vorschlag hervor, Waren, die den Hafen von Chancay durchlaufen, mit 60 Prozent Zoll zu belegen.
Zusammen mit Argentinien bauen die USA ihrerseits in aller Stille an einer gemeinsamen Marinebasis in Ushuaia, dem Tor zur Antarktis, wie bei einem gemeinsamen Besuch der Southcom Chefin Generalin Laura Richardson, dem US Botschafter und Präsident Javier Milei im April 2024 deutlich wurde.
Nach Verlegung des Southcom aus Panama war die Basis auf dem ecuadorianischen Flughafen Manta (1999-2009) das Zentrum der militärischen US-Aktivitäten in Südamerika. Die Verträge wurden jedoch vom damaligen Präsidenten Rafael Correa nicht verlängert. Der aktuelle ecuadorianische Präsident Daniel Noboa würde sie gerne erneuern, was inzwischen aber gegen die Verfassung verstieße. Ferner braucht er die Unterstützung Washingtons bei seiner Politik der harten Hand im Kampf gegen den Drogenhandel, womit er im Weißen Haus offene Türen einrennen dürfte.
Generalin Laura Richardson war es auch, die sich in der Vergangenheit mehrfach öffentlich um den Verlust der Kontrolle in Sachen Rohstoffe zu Gunsten Chinas sorgte. Hier geht es insbesondere um Kupfer und Lithium. Beides braucht man für Elektroautos und Tesla-Chef Musk dürfte ein massives Interesse am Lithium-Dreieck Argentinien, Bolivien, Chile haben. Chile ist vor Peru auch der weltgrößte Kupferproduzent.
Die weltweit größten Lithium-Reserven liegen in Bolivien. Am 12. Dezember 2018 war in Berlin im Beisein des bolivianischen Außenministers und des deutschen Wirtschaftsministers Peter Altmaier ein Joint Venture zur Lithiumgewinnung gegründet worden. Bis zum November 2019 saß der beteiligte baden-württembergische Mittelständler auf unterschriftsreifen Verträgen, die dann auf Eis gelegt wurden, was zu Spekulationen über eine Beteiligung von Mitkonkurrenten am seinerzeitigen Sturz der Regierung Morales Anlass gab, zumal Elon Musk, darauf angesprochen, in seiner bekannt flapsigen Art später sagte: „Wir stürzen wen wir wollen.“ Zweifellos hätte er die finanziellen Mittel dazu. Sicher ist, dass es auch innerhalb Boliviens Widerstände gegen die Verträge gab. Nachdem eine demokratisch gewählte Regierung Ende 2020 die Regierungsgeschäfte in La Paz übernahm wurden auch Verhandlungen wiederaufgenommen, an denen aber kein europäisches Land mehr beteiligt war, was möglicherweise der zweifelhaften Rolle des damaligen EU-Botschafters León de la Torre bei der Machtergreifung der politischen Rechten geschuldet ist. Investiert haben inzwischen chinesische und ein russisches Unternehmen im bolivianischen Salar de Uyuni.
Nicht nur im Lithium-Dreieck hat China die USA überholt. Chinas Handelsvolumen mit Lateinamerika ist zwischen 2000 und 2022 von 12 auf 485 Milliarden USD gestiegen. Stark gewachsen ist auch die Bedeutung chinesischer Kredite. Für Argentinien, Bolivien, Brasilien, Chile, Paraguay, Peru, Uruguay und Venezuela ist China der wichtigste Handelspartner.
Drängen die USA unter Trump nun in ihren alten Hinterhof – gemäß der Monroe-Doktrin von 1823 – zurück? Diese war mit ihrem „hands off Latin America“ gegen den europäischen Imperialismus gerichtet. Heute könnte es darum gehen, Terrain zurück zu gewinnen. Allzu großes Gepolter dürfte dabei nicht hilfreich sein, zumal die progressiven Länder heute besser untereinander vernetzt sind und mit China eine mächtige Alternative haben. So erfolgten beispielsweise auf die aktuellen Drohungen gegen Mexiko und Panama umgehend Solidaritätsbekundungen aus dem Süden. Während die Lateinamerikaner auf Diversifizierung ihrer Beziehungen setzen, hat Europa ihre Avancen stets eher verpuffen lassen und ist im außenpolitischen „Beiwagerl“ Washingtons sitzen geblieben, wo Präsident Trump nun wieder mit der Abkoppelung droht.
Wie auch immer: Vieles von dem, was Trump mit Pauken und Trompeten ankündigt, wird sich so gar nicht umsetzen lassen und könnte letztlich auch für die Vereinigten Staaten und seine Oligarchen selbst kontraproduktiv sein. Ungeachtet dessen dürften damit große Probleme für Lateinamerika verbunden sein. Wie ein Blick auf Lateinamerika zeigt: Das Liebäugeln mit dessen Politikstil sowie unilaterale und autoritäre Ansätze führen in die Sackgasse und schaffen mehr Probleme als sie lösen. In einer Zeit multipler und sich verschärfender Krisen ist damit zusätzlich die Gefahr zunehmender Konflikte und eines Abgleitens in den Faschismus verbunden.
* Näheres siehe Lessmann, Der Drogenkrieg in den Anden, Wiesbaden, 2016; Bureau for International Narcotics Matters and Law Enforcement Affairs; UNODC United Nations Office on Drugs and Crime.